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Mystagogie | Mysterienkulte, Sakramente, römischer Staatskult, Katechesen, Taufe, kath |
Als die Christen begannen, außerhalb Palästinas zu missionieren, wurden sie mit einer Vielzahl religiöser Strömungen konfrontiert. Der römische Staat hatte einen Staatskult, der sich in Opfern für die Siegesgöttin Nike und später für den römischen Kaiser ausdrückte. Mit diesem Kult war eine Art Staatsräson verbunden. Wer sich dem Opfern verweigerte, zeigte sich dem Staat gegenüber illoyal. Da die Christen nur einen Gott verehrten, mußten sie mit diesem Staatskult in Konflikt geraten. Die Situation war nicht so verschieden von der in jüngerer Vergangenheit wie im Nationalsozialismus oder Kommunismus. Den römischen Staatskult überwanden die Christen, Kaiser Konstantin führte das Christentum als Staatsreligion ein, der Sonntag wurde zum Wochenfeiertag, anstelle des Kaiserbildnisses wurde Christus als Weltenherrscher in die Apsis der Basiliken gemalt. Da man im römischen Reich mehreren Gottheiten opfern konnte, ohne dass der Staat sich irritiert fühlte, gab es noch andere Konkurrenten, mit denen das Christentum zurecht kommen mußte. Den sogenannten Mysterienkulten konnte das Christentum die eigenen Geheimnisse entgegensetzen. Wie der Dionysos-, der Isis- und Mithras- Kult hatte das Christentum auch Riten für die Aufnahme, Initiationsriten. Da die Erwachsenen mit der Taufe gefirmt wurden und im selben Gottesdienst, meist in der Osternacht, die Eucharistie empfingen, mußten den Täuflingen diese Sakramente erschlossen werden. Mystagogie als Einführung in das Geheimnis bezieht sich darauf, die theologische Bedeutung der Zeichen zu erkennen, des Wassers, des Öls, von Brot und Wein. Mystagogie beinhaltet weiter die Erklärung der Aufnahmeriten.
Vom Jerusalemer Bischof Cyrill sind die Katechesen für die Vorbereitung auf die Taufe wie auch die mystagogischen Katechesen erhalten. Cyrill starb 386 und war wohl schon 348 Bischof. Die Einführung in den Glauben und die Vorbereitung auf die Taufe war damals Aufgabe des Bischofs. Auf die Taufe wurden die Bewerber nicht durch Erklärung des Ritus, sondern durch Vorträge über die einzelnen Artikel des Glaubensbekenntnisses vorbereitet. Interessant ist, daß die mystagogischen Katechesen erst in der Osterwoche, das heißt nach der Aufnahme in die Kirche, gehalten wurden. Die Erklärung der Mysterien, der christlichen Sakramente, folgte erst, wenn die Taufbewerber den Ritus und die ganze Liturgie miterlebt hatten. Der Bischof deutet den Neugetauften die Riten. Er beginnt mit dem Abschwören gegenüber dem Satan, der Hinwendung zu Christus, der Salbung. Die Taufe wurde damals nicht bloß durch Übergießen des Kopfes gespendet, sondern indem der Täufling im Taufbecken ganz untertauchte - Zeichen für das Mit-Sterben mit Christus - und wieder auftauchte, Zeichen für das mit Christus in ein neues Leben Auferstehen. Die Weihe des Salböls vergleicht Cyrill mit der Herabrufung des Hl. Geistes über Brot und Wein in der Eucharistiefeier. Das geweihte Öl ist geheiligt und bewirkt die Gaben des Geistes. Schließlich findet sich eine ausführliche Erklärung der Eucharistiefeier.
Die Grundidee der Mystagogie geht davon aus, dass bereits geschehen ist, was dann erklärt wird. Dieser Gedanke wurde in den letzten Jahrzehnten neu aufgegriffen. Karl Rahner spricht von einer mystagogischen Katechese. In seiner Theologie zeigt er, dass der Mensch schon längst von Gott berührt ist, vielleicht schon in einem unbewußten Gespräch mit Gott steht, wenn er nach dem Sinn seiner Existenz fragt. Diese Realität dem Menschen aufzuzeigen, ist mystagogische Katechese. Die Katholische Fernseharbeit beim ZDF hat für die Gottesdienstübertragungen die "mystagogische Bildregie" entwickelt. Sie verzichtet auf eine Kommentierung, die vorher schon erklärt, was die nächste liturgische Handlung bedeutet, sondern erschließt den Sinn einzelner Riten, Handlungen und Gegenstände, indem sie diese in Beziehung zu Bauelementen, z.B. dem Gewölbe, setzt, oder bildliche Darstellungen wie das Kreuz mit einem Gesang verbindet. Die Kamera und die Bildregie leisten die mystagogische Erschließung einzelner Abschnitte des Gottesdienstes. Mystagogische Bildregie ist deshalb möglich, weil die Kirchenräume mit einer theologischen Konzeption gebaut sind und Symbole im Kirchenraum auf die Feier der Eucharistie und verschiedenen anderen Gottesdienstformen bezogen sind.
Die mystagogische Erschließung eines Sakramentes beruht nicht auf einem Geheimwissen des Bischofs, vielmehr erklärt er einzelne Riten durch Verweis auf Stellen im Neuen wie im Alten Testament. Die Erklärung Cyrills über das in der Firmung verwendete Öl hat sechs Verweise auf biblische Texte:
Nr. 4 aus der Mystagogischen Katechese des Cyrill über die Firmung: "Zuerst wurdet ihr auf die Stirn gesalbt, um von der Schande, welche der erste sündige Mensch überall hin trug, befreit zu werden und um die "Herrlichkeit des Herrn mit unverhülltem Antlitz widerzuspiegeln" (2 Kor 3,18). Darauf wurdet ihr an den Ohren gesalbt, damit ihr Ohren erhieltet, welche die göttlichen Geheimnisse hören, Ohren, von denen Jesaja sagte: "Und der Herr gab mir ein Ohr zu hören" (Jes 50,4), und der Herr Jesus Christus in den Evangelien sprach: "Wer Ohren hat zu hören, der höre" (Mt 11,15 u.a.) Sodann wurdet ihr an der Nase gesalbt, damit ihr nach dem Empfang der göttlichen Salbe sagt: "Christi Wohlgeruch sind wir für Gott unter den Geretteten." (2 Kor 2,15). Hierauf wurdet ihr auf der Brust gesalbt, damit ihr "angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit", "gegen die Schliche des Teufels fest steht." (Eph 6, 11.14). Gleichwie Jesus nach der Taufe und nach der Herabkunft des Hl. Geistes hinausging in die Wüste und den Widersacher bekämpfte, so sollt ihr nach der heiligen Taufe und nach der geistigen Salbung, angetan mit der ganzen Waffenrüstung des Hl. Geistes, euch der feindlichen Macht entgegenstellen und sie bekämpfen und sagen: "Alles vermag ich in Christus, der mich stärkt." (Phil 4,13).